Leseprobe

Das äußere Ich

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Viele Menschen der heutigen Zeit behaupten von sich, Realisten zu sein. Sie verlassen sich dabei ausschließlich auf Fakten, auf äußerlich ableitbare und beweisbare Daten. Raum und Zeit sind einfach so da; das Ich-Bewusstsein, gegründet auf Logik und Vernunft, ist das, was eine Persönlichkeit ausmacht; die Dinge des Lebens kann man nur von außen betrachten und erkunden.Wer unsere behagliche dreidimensionale Welt als den Boden sieht, auf dem sein Ich steht, wird aus deren Gültigkeit und absoluten und objektiven Existenz seine emotionale Stabilität beziehen. Dieser Personenkreis muss geradezu Sturm laufen gegen jede Theorie, die in eine andere Richtung weist.

Der Mensch der westlichen Welt hat die Trennung des Bewusstseins überperfektioniert:

  • Vernunft und Logik sind das höchste Maß aller Dinge.
  • Nur, was man sehen und anfassen kann, gibt es wirklich. Nur die Daten, die mit äußeren Sinnen gewonnen wurden, haben Gültigkeit.
  • Die Seele ist eine Erfindung der Religionen. Es gibt sie nicht wirklich, denn im Körper ist eine Seele nicht zu finden.
  • Das Unbewusste oder Unterbewusstsein ist dem vernünftigen Wachbewusstsein untergeordnet und lediglich eine Rumpelkammer verdrängter Gedanken und Gefühle. Wenn es überhaupt Bedeutung hat, dann im negativen Sinne, wenn die verdrängten Gefühle zum Antrieb zerstörerischer oder krimineller Taten werden. 

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Wir überlassen unserem Ich die alleinige Führung, und dieses Ich kann es sich nicht erlauben, allzu tief und genau nach innen zu spüren. Die Illusion der Alleinherrschaft, von der es überzeugt ist, wäre nicht mehr aufrecht zu halten. Das Ich besteht darauf, dass alle Information immer nur von außen kommen kann. Inneres Wissen, diskrete Hinweise aus der eigenen Psyche, zufällige - aber genau passende - Fügungen irritieren und verunsichern unser Ich zutiefst.

Wenn es erlebt, dass es irgendwie schon vorher wusste, dass zum Beispiel der Chef eine unerwartete Entscheidung treffen wird, dass eine Verabredung mit einem Freund platzen wird oder dass eine Angelegenheit mit einer Behörde so oder so ausgehen wird, und diese Ahnung sich dann tatsächlich bewahrheitet, dann tut unser Ich so etwas ab als kuriosen Zufall. Und hält sich nicht weiter auf damit. Dieses unlogische Wissen wird schnell beiseite geschoben.